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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 12. August 2022

Die Übernahme einer Führungsposition ist immer eine Herausforderung. Egal ob wir uns dafür bewerben oder das Angebot von aussen an uns herangetragen wird. Führung verlangt einem, wenn man es gut machen will, einiges ab. Und erst, wenn ich die Rolle wirklich ausführe und ausfülle, wird klar, was das genau heisst. Was aber, wenn die erstrebte Führungsrolle einen unglücklich im Beruf werden lässt? Und sich auch nach der Einarbeitung nichts bessert, sondern sich die Lage eher zuspitzt? Ein Beispiel aus der Praxis.

Es ist früher Vormittag an einem weiteren Sommertag. Die Luft ist noch kühl und angenehm, vor mir steht mein neuer Kunde, nennen wir ihn Marco. Marco hat einen klaren Blick, spricht in kurzen, exakten Sätzen, wirkt fokussiert, aber auch etwas verloren. Als ich ihn frage, warum er sich für eine Laufbahnberatung entschieden habe, antwortet er: «Mein Beruf macht mich nicht glücklich. Es ist wie in einem Rad, ich mache, was zu tun ist, aber ohne Leidenschaft.» Auf die Nachfrage, was er bisher schon versucht habe, führt er mich durch eine Reihe von Weiterbildungen und Arbeitserfahrungen. Zuletzt hat er sich vor einigen Jahren zum Projektleiter ausbilden lassen und arbeitet auf dem Beruf. Ich frage nach der Motivation für diese Ausbildung und er meint: «Ich wollte mehr Freiraum, habe mir Platz für eigene Ideen erhofft.» Er bricht ab und ich warte, weil ich merke, dass es in ihm arbeitet. Und nach einer Pause ergänzt er: «Ja, und jetzt bin ich Chef und unglücklicher als je zuvor in meinen Berufsleben.»

Die Rolle des Vorgesetzten oder der Chefin ist eine, die wir meinen gut zu kennen. Fast jede:r von uns hat es mit Vorgesetzten zu tun. Und wie es so ist, nicht nur im Beruf: Das Gras ist auf der anderen Seite des Zauns oft grüner. Zumindest scheint es grüner zu sein.

Ich lasse Marco ein Bild auswählen, das für ihn für die berufliche Zukunft steht. Er wählt eine weite Landschaft mit kreisenden Dohlen und kommentiert es mit: «Ich möchte frei sein, Raum haben für mich und meine Ideen, die Möglichkeit haben, Dinge von A bis Z zu erledigen.»

Ich lasse ihn von seiner jetzigen Tätigkeit als Projektleiter im Handwerksbetrieb erzählen. Es gibt Teile, die ihm gefallen, wie zu planen oder vermessen. Die Führungsrolle liegt ihm gar nicht und die Kontrolle durch seinen Vorgesetzen ist enger als je zuvor. Willkommen in der Sandwich-Position… Das soll nicht zynisch klingen, aber fast immer ist diese Rolle anspruchsvoller als «einfache:r Mitarbeiter:in» zu sein. Gerade für gewissenhafte und korrekte Menschen wie Marco. Denn sie möchten einerseits, dass es ihrem Team gut geht und andererseits wollen und müssen sie die Ziele von oben erfüllen.

Im Prinzip ist die Situation ja relativ klar, fasse ich zusammen: «Du möchtest einen neuen Beruf, hast nun gemerkt, dass du nicht führen möchtest. Da haben wir doch schon einen ersten Anhaltspunkt, worauf wir zielen müssen. Für mich ist es aber wichtig zu verstehen, was dir Spass macht, welche Tätigkeiten dir liegen und wo du deine Stärken siehst.» Marco zögert sehr lange, als ich ihn bitte, sich selbst zu beschreiben. Ich mache ihm Mut und erkläre ihm, warum wir hier ansetzen. Er nickt und sagt, er verstehe das und sei auch gewillt, über sich nachzudenken und freue sich auf diesen Prozess. Ich schiebe nach: «Ich bin sicher, wenn du dein Umfeld nach Stärken befragst, wird eine lange Liste rauskommen. Du bist jetzt verunsichert über deine Stärken, weil sie nicht gefragt sind in deiner jetzigen Position.» Er schaut mich nickend an, grinst dann breit und fragt: «Hast du dich mit meiner Freundin abgesprochen? Die sagt genau das Gleiche!»

Genausowenig wie Chef zu sein bedeutet, mehr Freiraum zu haben, bedeutet eine Position als Vorgesetzte auch nicht, dass mich dieses Aufgabengebiet zwangsläufig erfüllt. Am Ende unseres ersten Gesprächs, nachdem Marco mit funkelnden Augen über seine Hobbies, wie das Zusammenbauen komplexester Flugmodelle, gesprochen hatte und seine Leidenschaft so richtig mit den Händen zu greifen wird, meint er abschliessend: «Ich bin ein Handwerker, das ist es was mir Spass macht. Alle meine Hobbies haben mit den Händen zu tun, eine Idee zu haben und diese dann umzusetzen. Alles was ich am Wochenende mache ist toll, aber von Montag bis Freitag, da möchte ich auch etwas vom Leben haben.» Der Auftrag an mich ist klar und ich nicke ihm ermunternd zu: «Wir begeben uns zusammen auf diese Reise. Wir fangen bei dir an. Bei deinen Werten, Interessen, Stärken und dann schauen wir uns an, wo du dich montags bis freitags wohlfühlen könntest.» Er nickt zufrieden und meint: «Gut, es fühlt sich schon ein bisschen so an, als habe ich mich auf den Weg gemacht.»

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