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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 14. August 2020

Wie fühlt es sich an, wenn man sich getraut hat, die eingeschlagene berufliche Route zu verlassen und nochmal ganz neu zu beginnen? Was sind die Herausforderungen, was hat überrascht, bestärkt, motiviert? Gerne teile ich meine Gedanken ein Jahr nach meiner Neuorientierung zur Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin.

Im Sommer 2019 stand ich kurz vor einer kompletten beruflichen Neuorientierung. Die Entscheidung, mich von meinem alten Beruf zu lösen und mich neuen Herausforderungen zuzuwenden war ein intensiver Prozess. Ich habe mich mehrmals gefragt, was ich wirklich machen und welche meiner Interessen und Fähigkeiten ich beruflich weiterverfolgen möchte. Meine Herausforderung bestand schon immer darin, dass ich mich für viele verschiedene Gebiete interessierte. Zu viele, wie mir mal ein Berufsberater mit in Falten gelegter Stirn mitteilte.

Und es mag sein, dass es einfacher ist, seine berufliche Zukunft zu planen, wenn man eine grosse Faszination hat und weiss, dass man dorthin will und nirgendwo anders. Ich habe in meiner Karriere in der Finanzbranche einige Leute kennengelernt, die sich immer schon für die Börse interessierten, die Hobbyanleger waren (während ich meine Zeit im Chlorwasser verbrachte) und heute unglaublich zufrieden sind, grosse Portfolios für ihre Kund*innen zu verwalten.

Ich finde das toll! Ehrlich gesagt, hab ich solche Leute manchmal ein bisschen beneidet. Eine meiner liebsten Freundinnen ist Krankenschwester auf der Neonatologie, also für die allerkleinsten Patient*innen. Wir kennen uns seit Jugendzeiten, auch durch viel gemeinsame Zeit im Wasser. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mal einen anderen Wunsch hatte als Kinderkrankenschwester zu werden und sie lebt heute ihren Traum im Ausland als Advanced Nurse Practitioner auf Augenhöhe mit Assistenzärzt*innen.

Die treuen Leser*innen meines Blogs wissen, dass meine berufliche Laufbahn alles andere als linear verlaufen ist. Als ich letzte Woche in der Ausbildung zum S&B Coach sass und den Satz „Ich wünschte, ich hätte noch einmal die Chance, um… vervollständigen sollte, fiel mir dazu nichts ein. Denn: Es war jede Stelle, jeder Beruf, jede Position zu der gegebenen Zeit genau die/der richtige. Es war die richtige Entscheidung mich nach dem Gymnasium in die Naturwissenschaften zu vertiefen und meinen Wissensdurst und meinen Drang nach intellektueller Herausforderung zu stillen. Der Ausflug in die Politikberatung während des Studiums war äusserst bereichernd und hat mir die Welt der Beratung gezeigt und die Begeisterung für Projektarbeit geweckt. Aber auch zur Erkenntnis geführt, dass ich mich mit 25 und ohne Berufserfahrung in der Wirtschaft nicht reif dazu fühlte, andere zu beraten. Meine sehr intensiven Jahre in der Finanzbranche haben mich gelehrt mich in komplexe Bereiche einzudenken, zu argumentieren, Interviews zu führen, zu schreiben, schnell zu lesen, intensiv zu recherchieren. Und ich hatte die grosse Ehre Menschen zu führen und Lernende auszubilden.

Obwohl ich den Entschluss zum Neustart mit voller Überzeugung und kribbelig vor Tatendrang getroffen hatte, war mir in den Startmonaten doch manchmal etwas mulmig. Vielleicht auch deshalb, weil mich so viele Leute darauf angesprochen hatten, dass es doch sehr mutig sei, beruflich nochmals auf Neustart zu drücken. Obwohl ich mich von Anfang an unglaublich wohl und unterstützt gefühlt habe im Team, hab ich dann doch immer wieder an mir gezweifelt. Daran, ob ich das alles packe und ob ich noch genauso schnell Neues lernen kann wie mit 25. Oder ob ich scheitere an meinen eigenen, (zu?) hohen Ansprüchen.

Von Beratung zu Beratung, über Projektarbeiten und Schulungen habe ich am eigenen Leib gemerkt, was die Psychologie mit Selbstwirksamkeit meint. Nämlich den unglaublichen Boost an Selbstvertrauen, den wir erfahren, wenn wir durch das Tun merken, dass wir etwas können und dabei beginnen, es zu lieben.

Ich glaube die wichtigste Erkenntnis, zu der ich im Verlaufe dieses Jahres gelangt bin, ist das Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten. Und ich spreche hier nicht von Arroganz oder Überheblichkeit, sondern einfach dem Gefühl, sich selber etwas zuzutrauen, sich zu trauen, sich selber bewusst zu machen, dass Vieles möglich ist. Erst im Laufe meiner neuen Arbeit als Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin wurde mir bewusst, dass mein Engagement als Sporttrainerin, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, sowie auch der Austausch mit deren Eltern, das Coachen, Organisieren, Strukturieren, vor Gruppen sprechen mir in meinem jetzigen Beruf sehr viel hilft. Erst nach der Erfahrung meines ersten Bewerbungscoachings wurde mir klar, dass ich von meiner langjährigen Führungserfahrung, der Sandwichposition, diverser Führungsseminare und dem sehr bereichernden aber auch manchmal fordernden Umgang mit Mitarbeiter*innen einen voll bepackten Rucksack mitbringe, der mir im Kontakt mit meinen heutigen Kund*innen hilft.

Und so führt mich das zu folgendem Fazit ein Jahr nach meiner Umorientierung: Ich bin genau dort, wo ich aktuell sein möchte und kann viele Erfahrungen, welche ich vorher gemacht habe im Umgang mit meinen Kund*innen einsetzen. Ich kann sie profitieren lassen von meinem Wissen zum Arbeitsmarkt oder generell wirtschaftlichen Zusammenhängen, mich in sie hineinversetzen, wenn sie zu viele Interessen haben und deshalb Orientierung suchen, wenn Sport oder eine andere Leidenschaft einen grossen Stellenwert haben, sie verstehen, wenn sie an sich zweifeln bei der Übernahme einer neuen Aufgabe oder sich als Mutter oder Vater fragen, wie sie Kind und Beruf gerecht werden können. Aber ich wäre nicht ich, wenn es nicht auch Momente des Zweifelns und der Ungeduld gäbe. Das Gefühl, in manchen Bereichen noch nicht genug zu wissen, noch mehr Methoden kennen zu wollen. Im Sinne von: „Je mehr ich weiss, desto mehr weiss ich, was ich nicht weiss.“ Aber ich werde als Studentin ja auch noch mit viel neuem Wissen versorgt und das ist gut so. Aber zum Halbzeitfazit meines Studiums dann ein anderes Mal mehr.

 

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