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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 17. Juli 2020

Manche Kund*innen sind enttäuscht, wenn ich ihnen am Anfang der Beratung sage, dass ich keinen Beruf für sie finden werde. Denn mit dieser Erwartung kommen Einige. Das Matching zwischen Mensch und beruflichem Umfeld setzt aber die Bereitschaft unserer Kund*innen voraus, sich zuerst mit sich selbst auseinanderzusetzen (Wer bin ich? Was kann ich?), um dann ihren Weg zu sehen (Was will ich?) und zu planen. Das gilt für unsere Teilnehmenden aus dem Workshop Lehrabgänger*innen ohne Anschluss genauso wie für gestandene Berufsleute mit dem Wunsch nach beruflicher Veränderung. Als Beraterin bin ich jedoch überzeugt, dass es die Qualität meiner Beratungen deutlich erhöht, wenn ich ein möglichst gutes Bild der verschiedenen Berufe habe. Gerade auch von solchen, die man als Normalbürger vielleicht nur von Weitem kennt.

Es ist ein sommerlicher Montagnachmittag im Juli. Wir sitzen im Hautquartier der Stadtpolizei Bülach. Der Chef Atilla Uysal persönlich empfängt uns in der Zentrale. Drei meiner Mitstudierenden und ich erleben in den folgenden zwei Stunden einen wertvollen Einblick in die Arbeit bei der Polizei, die Anforderungen in diesem Beruf, sowie die Sonnen- und Schattenseiten. Ein sehr engagierter Polizeichef, dem seine Gemeinde ebenso am Herzen liegt wie die Entwicklung seiner Mitarbeitenden.

Als wir von der FH aufgefordert wurden, acht Berufsbesichtigungen durchzuführen, stand der Beruf des Polizisten ganz oben auf meiner Wunschliste. Denn das ist ein Beruf, der viele fasziniert. Und ich spreche jetzt nicht nur von Buben- oder Mädchenträumen. Auch der 30-jährige Primarlehrer bei uns in der Laufbahnberatung setzt sich grade intensiv damit auseinander, ob eine Zweitkarriere als Polizist eine Option für ihn wäre. Der Ruf der Polizei, dies bestätigt uns auch Atilla, ist in der Schweiz hervorragend. Sie geniessen das höchste Vertrauen vor den Gerichten oder dem Bundesrat, wie eine Studie der ETH Zürich zeigt. Gefragt nach Schattenseiten im Beruf, fällt ihm als erstes ein: „Die Menschen meinen immer, als Polizist wisse man alles“, um dann gleich anzufügen: „Eigentlich ist das ja toll und ehrt uns“.

Die Ausbildung zum Polizisten bzw. zur Polizistin ist ab 20 Jahren möglich. Voraussetzung sind eine abgeschlossene Lehre oder Maturitätsschule. Ein Killerkriterium ist der tadellose Leumund. Da liegt keine Anzeige wegen Kiffen drin, auch wenn diese in Teenagerjahren zustande gekommen ist, meint der Polizeichef. Voraussetzung für die Zulassung an die Eintrittsprüfung ist die erfolgreiche Bewerbung bei einem Polizeicorps. Dies stellt sicher, dass genau so viele Polizist*innen ausgebildet werden, wie der Markt braucht – ökonomisch effizient und sinnvoll.

Immer wieder wird der Polizeichef, selbst gelernter Heizungsinstallateur EFZ, von uns mit Fragen gelöchert, die er geduldig und klar beantwortet. Nach einer Schlussrunde zum Thema Material sowie der Vorführung des Einsatzwagens verabschieden wir uns und gehen zurück in unsere Beratungszimmer.

Für mich steht das Coaching einer Teilnehmerin des Workshops Lehrabgänger*innen ohne Anschluss auf dem Programm. Meine Kundin, nennen wir sie Gioia, ist gelernte Zeichnerin. Während der Lehre wurde ihr jedoch klar, dass dies nicht ihr Beruf ist. Inspiriert durch den Workshop und mit dem Rucksack der gewonnen Selbstreflexion diskutieren wir ihre Berufshitparade. Neben der Fotografin steht die Polizistin. Ich frage nach, was sie an diesen Berufen fasziniert. Bei der Polizistin bleiben wir etwas länger hängen, denn zuerst kann Gioia noch nicht so richtig in Worte fassen, was sie daran reizt. Dann aber spricht sie von einem Mix aus praktischer Arbeit und Schreibtischarbeit, vom Kontakt mit Menschen aller Art, mit Jugendlichen und Erwachsenen, den Entwicklungsmöglichkeiten und der Chance, Verantwortung zu übernehmen.

Mit den Eindrücken, welche ich zuvor auf der Polizeistation gewinnen konnte, kann ich Gioia die gezielteren Fragen stellen und auch die eine oder andere Frage beantworten, beispielsweise wie der Ausbildungsweg genau aussieht. Was ich nicht kann, ist den Beruf für sie finden. Denn das kann immer nur eine Person, nämlich die Kundin oder der Kunde selber.

Mit diesem Beitrag verabschiede ich mich in Richtung Ferien und schicke den Blog in die wohlverdiente Sommerpause. Ich danke meinen treuen Leser*innen für die vielen Likes und freue mich auf eure Kommentare!

 

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