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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 31. Januar 2020

Es ist laut, die Maschinen brummen, immer wieder piepst und rattert es aus irgendeiner Ecke. Ein Mitarbeiter nimmt Stapel von bedrucktem Papier im A3-Format aus der Ausgabe und wechselt dann die Druckerplatte. Mit einer Gruppe von Jugendlichen und ihren Eltern stehe ich in einer Druckerei am Zürichsee. Ein weiterer Teil des Lebens einer Berufsberaterin.

Olten, FHNW, ein Dienstag im Winter. Berufskunde steht auf dem Programm und der Beamer projiziert die unterschiedlichen Berufsfelder an die Wand. Sie helfen dabei, die über 2600 Berufe in eine gewisse Systematik zu bringen. Als ehemalige Analystin mag ich die Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden, das genaue Hinsehen und das Ausgraben von Information. Bei vielen Berufen hat man ja auch bereits ein relativ klares Bild. Als Frau verbringt man typischerweise schon mal die eine oder andere Stunde im Coiffeursalon und jeder und jede hat das Wirkungsfeld einer Dentalhygienikerin schon mehr oder weniger schmerzlich erlebt.

Aber es gibt auch andere Berufe, die weniger greifbar sind. Weil der Alltag keinen zwingenden Berührungspunkt bietet oder ein Beruf erst vor kurzem entstanden ist. Wieder andere Berufe gibt es zwar schon lange, sie haben sich aber durch Megatrends wie Automatisierung und Digitalisierung komplett gewandelt.

Im Klassenzimmer in Olten wird der Leistungsauftrag des Moduls vorbesprochen. Es ist kurz vor dem Mittag, der Magen knurrt und viele Augen bleiben bei Berufen wie Bäcker-Konditor-Confiseur oder Köchin hängen. Der Hunger wird dadurch nicht kleiner… Der spannende Auftrag aber lautet, dass acht Betriebsbesichtigungen (bzw. eigentlich Berufsbesichtigungen) geleistet werden müssen, um einen Einblick in möglichst viele Berufsfelder zu haben. Während einige beim Bäcker hängen bleiben, will ich vor allem auch (mir) unbekanntere Felder erkunden.

Deshalb stehe ich jetzt in der Druckerei. Der Druckertechnologe hantiert an einem riesigen Offset-Drucker. Eine Maschine, die genauso auch im Museum stehen könnte, wird zur Falzung bestimmter Prospekte eingesetzt. Im oberen Stock sitzt eine junge Frau konzentriert vor ihrem Bildschirm, der mit speziellem Blendschutz ausgestattet ist. Aline ist angehende Polygrafin und mitten in der Bearbeitung eines Schwarz-Weiss-Bildes. Die Journalistin, welche den Text zum Bild schreibt, steht neben ihr und bespricht, wo die Platzierung Sinn macht. Eine weitere Mitarbeiterin kümmert sich um einen schönen Flattersatz in einem Investorenausblick einer Bank. „Ich bin immer die letzte, die etwas an einem Dokument macht, denn wenn der Kunde noch eine einzige Textänderung vornimmt, im schlimmsten Fall in Zeile 1, muss ich nochmals von vorne beginnen.“

Was denn eine Polygrafin oder ein Interactive Media Designer so mitbringen müsse, will ich wissen. Der Berufsbildner überlegt kurz und sagt dann: „Sicher ein gutes Auge, man sollte auch Text mögen. Wir müssen hier zwar nicht schreiben, aber Fehler sehen, sollte man schon. Eine 3 in Deutsch, das wäre jetzt nicht ideal.“ Einige Jugendliche nicken, andere verstehen gerade in diesem Moment, dass sie genau das hier unbedingt näher anschauen möchten. Eine junge Dame nutzt die Gunst der Stunde und ergattert sich eine Schnupperlehre. Am Ende des Nachmittags sind alle einen Schritt weiter. Ich weiss mehr über Berufe, die ich vorher weniger gut kannte. Die Schüler*innen haben entweder Feuer gefangen für einen Beruf oder gemerkt, dass sie sich diesen doch ganz anders vorgestellt haben. Mit diesem sehr niederschwelligen Angebot der Berufsbesichtigung kann in wenigen Stunden ein Fuss in die echte Arbeitswelt gesetzt werden. Exploration nennen es die Experten oder einfach ein sehr wichtiger Schritt, um herauszufinden, was (zu) mir passt.

 

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