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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 13. März 2020

Die Berufswünsche in unserer Gesellschaft sind vielfältig. Und das ist auch gut so. Denn unser tägliches Leben, die gesamte Wirtschaft würde nicht funktionieren, wenn alle Leute im gleichen Segment arbeiten würden. Oder wo soll der Banker seine Haare schneiden, wenn es keinen Coiffeure mehr gibt? Natürlich gibt es gerade bei der ersten Berufswahl aber auch eine Häufung. An oberster Stelle steht seit Jahren das KV. Auch Pflegeberufe und der Detailhandel sind stetige Gäste in der Top 10 der gewählten Lehrberufe. Viele Jugendliche haben aber ihr Herz an Tiere verschenkt und möchten diese Leidenschaft dann auch zum Beruf machen. Was bedeutet das eigentlich genau?

Ich bin mal wieder in der Mission Berufsbesichtigung unterwegs. Ich stehe in einem kleinen abgedunkelten Raum einer Tierarztpraxis und beobachte das Geschehen. Der Patient liegt in Gestalt einer riesigen Dogge auf dem Behandlungstisch. Kurz davor hatte der Tierarzt mit der Unterstützung von zwei Lernenden das 50 Kilogramm schwere Tier auf den Tisch gehievt. Der Arzt untersucht den Bauchraum des Hundes routiniert mit einem Ultraschallgerät und erklärt der Besitzerin, wo sich das Matratzenstück befindet, dass die Dogge wohl versehentlich verschluckt hat. Die tiermedizinische Praxisassistentin (TPA) hält das grosse Tier mit geübtem Griff und sendet gleichzeitig aufmunternde Blicke zur sichtlich nervösen Besitzerin.

Nachdem die Dogge versorgt ist, unterhalte ich mich noch kurz mit dem Tierarzt. „Schicken Sie uns nicht die Intelligenten, sondern jene die anpacken können“, meint er grinsend. Ich verzichte darauf, ihm zu erklären, dass wir als Berufsberatende nicht den Ansatz haben, Schüler*innen in eine Lehre zu „schicken“ und hake nach, was denn eine TPA aus seiner Sicht für Eigenschaften mitbringen müsse. Er überlegt kurz und sagt dann, dass er eine gewisse Robustheit voraussetze: „Ich meine das körperlich und auch psychisch“ und ergänzt: „Wissen Sie, unsere Lernenden müssen sich manchmal einiges gefallen lassen von den Tierbesitzern. Die vergessen manchmal einfach komplett, dass sie es mit einem jungen Menschen zu tun haben, wenn sie schreiend und zeternd die Praxis betreten. Da habe ich als erwachsener Mann manchmal sogar Mühe.“

Die riesige Faszination für Tiere ist bei jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin im Team zu spüren. Ich unterhalte mich ausführlich mit zwei Lernenden. Die eine wirkt reifer und ich erfahre, dass sie bereits eine Lehre im handwerklichen Bereich erfolgreich absolviert hat. „Das handwerkliche Geschick kann ich hier super gebrauchen, oftmals müssen wir hier improvisieren, vor kurzem habe ich eine Gehschiene für ein Meerschweinchen gebaut!“ Ich sehe neben den beiden Tierärzten nur Frauen in der Praxis und frage nach, ob es denn auch männliche TPAs gebe. „Wir hatten einen in der Klasse“ meint eine junge Frau, die im Sommer ihre Lehre abgeschlossen hat. Die drei Lernenden kennen jeweils einen oder zwei Männer.

Berufe rund um Tiere faszinieren viele, auch ich habe als Jugendliche intensiv darüber nachgedacht, ob ich Tiermedizin studieren soll. Dies war auch einer der Gründe, warum ich mich talentfrei durch viele Jahre Latein gequält habe. Zuletzt bin ich zum Schluss gekommen, dass ich doch einen anderen Weg gehen will, unter anderen nach einem Gespräch mit der Tierärztin, die sich damals mit Herzblut um unseren wilden jungen Kater gekümmert hat, der jeden Kampf in der Nachbarschaft aufgenommen hat und darum immer mal wieder Gast in der Tierarztpraxis war.

Dieser Nachmittag hat mich nochmals im Rückblick bestätigt, dass an mir wohl keine Veterinärmedizinerin verloren gegangen ist, sondern dass mich das Gespräch mit unserer damaligen Tierärztin und vor allem ihr Satz „handwerkliches Geschick ist wichtig und man sollte die Tiere nicht zu gern haben“ mich zu Recht davon abgehalten haben. Denn vom einen habe ich ganz wenig und vom anderen wohl zu viel.

Die ehemalige Handwerkerin ist aber in ihrem Traumberuf. Ohne jegliche Berührungsängste nimmt sie sich Tieren und Menschen an. „Manchmal sind wir auch ein bisschen Psychologen“ sagt sie lächelnd und auf meine Frage hin, was sie überrascht hat in diesem Beruf. Sie denkt sie nur kurz nach und meint: „Ich habe unterschätzt, dass wir sehr viel mit Menschen zu tun haben“.

Viele Jugendliche stehen vor der Entscheidung für eine Berufslehre. Heute gibt es unendlich viel Informationsmaterial online oder in Broschüren. Und es ist absolut sinnvoll, sich zuerst über diese Kanäle zu informieren, um Berufe auszuschliessen. Aber nichts ersetzt die sogenannte Exploration. Und zwar im echten Leben. Sei es in der Tierarztpraxis, im Coiffeursalon oder in der Werkstatt. Am eigenen Körper erleben, wie sich die Atmosphäre anfühlt, wie ich mich dort fühle. Mit erfahrenen Berufsleuten und auch mit Lernenden sprechen und herausfinden, warum diese gerne in diesem Beruf arbeiten aber auch welche Punkte sie stören. Nur so gibt es ein ganzheitliches Bild und nur so ist eine fundierte Entscheidung möglich, welche die Jugendlichen dann auch durch die Lehre tragen können.

 

 

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